Eine etwas andere Abiturvorbereitung

Theatermacher Ekkehart Voigt begeistert diesjährigen Abiturjahrgang der Adolf-Reichwein-Schule mit Goethes „Faust I“

Nach einer mehr als zweijährigen Corona-Pause konnte der freiberufliche Schauspieler und Theatermacher Ekkehart Voigt endlich wieder vor dem gesamten in der Aula versammelten Abiturjahrgang der Limburger Adolf-Reichwein-Schule (ARS) Goethes Tragödie „Faust I“ aufführen: DAS Werk der deutschen Literatur.

Die Inszenierung hat der Solokünstler eigens für die Oberstufe konzipiert und es bis zum Anbruch der Pandemie laut eigenen Aussagen im Jahresschnitt vor etwa 8.000 Schülerinnen und Schülern bundesweit gespielt. In den letzten Monaten hatten sich die Deutsch-Kurse des Beruflichen Gymnasiums der ARS im Unterricht intensiv mit dem komplexen Drama beschäftigt und waren dabei hinsichtlich der Interpretation einzelner Szenen ein ums andere Mal an ihre Grenzen gestoßen. Der Wissenschaftler Faust geht in Goethes Lebenswerk aufgrund einer existenzgefährdenden Sinnkrise einen Pakt mit dem Teufel Mephistopheles ein und stürzt letztlich dadurch sich selbst, vor allem aber seine Geliebte Gretchen samt ihrer Familie, ins Verderben.

Anders als herkömmliche Inszenierungen hat es sich der Weinbacher Künstler Ekkehart Voigt zum Ziel gesetzt, das Werk, das seit Jahren als verbindliche Lektüre auf der Leseliste des Landes Hessen steht, als One-Man-Show aufzuführen. Vom sich in einer Lebenskrise befindlichen Gelehrten Dr. Heinrich Faust, über den Teufel Mephistopheles bis hin zu Gretchen: eindrucksvoll schlüpfte Voigt in jede einzelne Rolle und füllte sie mit Leben und verschaffte durch seine eigene Interpretation der Szenen den Schülerinnen und Schülern einen weiteren Zugang zu dem komplexen Werk. Mit seinen gesetzten Schwerpunkten „Manipulation“ und „Gier“ zeigte er eine Schattenseite des Faust-Charakters auf, die insbesondere im heutigen Medienzeitalter eine ganz besondere Brisanz bietet.

Immer wieder riss der Inhaber des Theaters „Als Ob“ die Zuschauer aus ihrer rein passiven Rolle heraus und forderte das Publikum durch Fragen, Aufforderungen und Mitmachaktionen zum Nachdenken über einzelne Szenen und die Aktualität des Stückes auf. Zunächst waren die angehenden Abiturienten sichtlich irritiert ob ihrer Einbeziehung in das Stück, legten diese Verunsicherung jedoch im weiteren Verlauf mehr und mehr ab und waren am Ende mehrheitlich begeistert von Voigts unkonventioneller Aufführung.

Im Anschluss an die Inszenierung kam es zu einem intensiven Gespräch zwischen Zuschauern und Künstler, in dem Ekkehart Voigt zum einen seinen eigenen Interpretationsansatz erklärte und zum anderen zu seinen permanent eingebauten Provokationen Stellung bezog. Er selbst wisse dabei nie genau, wie die Schülerinnen und Schüler darauf reagieren und müsse spontan reagieren. Besonders wichtig sei ihm hierbei die Feststellung, „dass wir – jeder von uns – immer eine Wahl haben: Nicht immer, ob oder ob nicht, sondern auch in der Wahl, wie wir etwas machen“. Gretchen habe sich letztlich entschieden, auf welcher Seite sie stehe, so Voigts eigene Interpretation der das Drama abschließenden Kerkerszene.

(Bernd Nordmann)

Update: 26.04.24

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