Geschick, gutes Blatt und den richtigen Schwung – jetzt ist Sense!
SG Umweltschule bietet der ARS-Schulgemeinde „nachhaltiges Mähen mit dem richtigen Dreh“
Ein für die heutige Zeit sehr ungewöhnliches Angebot hatte sich Fred Narewski für die letzte Schulwoche einfallen lassen. Dazu brachte die zertifizierte Natur- und Landschaftsführerin Marion Klein, aus Gladenbach, unterschiedlich große Sensenbäume und -blätter, Dengelböcke, Inbusschlüssel und Kaltschmiedehämmer zu unserer Streuobstwiese. Klingt ungewöhnlich? Ist es auch – aber total spannend! Weil – aus der Zeit gefallen!
Und so klangen auch die „Paulanergeschichten“, ganz am Anfang, als die sieben Teilnehmer/-innen berichteten, warum sie an einem solch´ heißen Sommertag den richtigen Umgang mit einem alten Mähwerkzeug erlernen möchten. Oft wurde berichtet, dass jemand in seiner Kindheit den erwachsenen Familienmitgliedern beim Gras mähen zusehen durfte. „Das sah bei meinem Opa alles so leicht, so beschwingt aus“, meinte eine Teilnehmerin nachdenklich. Nun ja, diese Art des Mähens, die vor ca. 100 Jahren auch im Nassauer Land vorherrschte, ist leise, insektenfreundlich und umweltschonend. Ach - und das klingt jetzt wieder absolut zeitgemäß, oder etwa nicht?
Den Teilnehmern/-innen war ganz schnell klar: Die alte Handwerkstechnik der Großväter und Urgroßväter ist viel mehr als ein Stückchen Heimatmuseum, auch wenn Andreas Walter in seiner Funktion als Vorsitzender von „Einst und Jetzt e. V.“ ebenfalls kurz ins Geschehen hineinschnupperte und sogar für ein Gruppenfoto bereitstand. Eine Kooperation des Hünfeldener Vereins mit der Adolf-Reichwein-Schule galt schon vorher als ausgemacht.
Vor der eigentlichen Praxiseinheit {Mähen, mähen, mähen} mussten die „glorreichen Sieben“ aber zunächst einmal den richtigen Umgang mit dem „rattenscharfen Gerät“, wie die Sensenlehrerin bemerkte, erlernen. Dabei stellte Frau Klein u. a. die deutlich erkennbaren Unterschiede zwischen einer Gras-, Stauden- und Freistellungssense vor. Mit letzteren lassen sich sogar Triebe von Hecken und Sträuchern problemlos entfernen.
„Auf einer Streuobstwiese, die mit der Sense gemäht wird, kann man das Gras deutlich länger wachsen und schneiden vielleicht sogar nur zweimal im Jahr. So können sich auch andere Pflanzen etablieren, die man sonst gar nicht mehr auf der Wiese finden würde, wie bestimmte Kräuter", sagte Dr. Gerd Hasselbach, ehemaliger Leiter des Umweltamtes in Gießen, der ebenfalls zu den interessierten Teilnehmern gehörte. „Zudem kann man problemlos bestimmte Pflanzen, die man erhalten will, stehen lassen und einfach drumherum mähen. Auch Insekten werden bei der Arbeit mit der Sense deutlich seltener verletzt oder getötet, weil sie flüchten können. Denn gelangen diese Tiere in einen Rasenmäher, werden sie oft regelrecht geschreddert“, ergänzte die Sensenlehrerin Marion Klein. Nachhaltigkeit sieht also anders aus. Vielleicht so…?
Wenige Tage vor dem Start des Workshops mussten die Teilnehmenden ihre Körpergröße angeben. Nur so war gewährleistet, dass die Landschaftsführerin die passenden Sensenbäume, das ist der „Stiel“ in den noch das Blatt einzuspannen war, zur Verfügung stellen wird, denn der Stiel an den auch noch Griffe angeschraubt werden mussten, wird auf die Körperlänge eingestellt und daran zuletzt die Schneide befestigt.
„Die Schärfe des Sensenblattes entsteht übrigens nicht durch das Wetzen, sondern durch das Dengeln“, erklärte Marion Klein den verdutzten Lehrkräften. Das Dengeln ist ein Verfahren des Kaltschmiedens. Dabei wird die Schneide des Sensenblattes mit Hilfe eines speziellen Hammers (Gewicht 500 Gramm) und Ambosses dünn ausgetrieben, so dass sie im besten Fall rasiermesserscharf wird. In der Fachsprache wird diese Schneide Dangel genannt.
Das regelmäßige Wetzen während der Arbeit dient lediglich dazu, die Schnittfähigkeit des Blattes zu erhalten. Hochwertige, neu gekaufte Sensenblätter sind üblicherweise schon gedengelt. Zwar kommt man damit gut durch eine Mähsaison doch früher oder später muss jedes Sensenblatt neu gedengelt werden.
„Wer beim Dengeln schläft, wird beim Mähen wach“, so lautet ein altes Sprichwort. Damals wie heute ist erfolgreiches Sensen auch eine Frage der gut geschliffenen Klinge. Guter Stahl ist Bedingung für eine ruhige, gleichmäßige Körperbewegung ohne erkennbare Anstrengung.
„Beim Mähen führst du die Sense in einem halbkreisförmigen Bogen {Merke: 15 bis 9 Uhr} immer flach über den Boden, wobei die Spitze des Blattes leicht nach oben zeigt. Man hebt die Sense vorwärts wie rückwärts niemals vom Boden ab. Der Schwung zum Sensen geschieht ganz locker - aus der Hüfte heraus. Gemäht wird also mit Schwung, nicht mit Kraft“, so die Naturführerin Klein.
"Am Anfang lief es schon noch etwas holprig, aber es macht sofort Spaß und ist eigentlich nicht schwer zu lernen", sagte einer der Teilnehmer. In der Gruppe fielen aber auch Worte wie "Ruhe" und "meditativ", obwohl aufgrund der extrem heißen Witterung so manchem der Teilnehmer schnell der Schweiß auf der Stirn stand.
„Das Gras lässt sich übrigens mit der Sense am besten schneiden, wenn es noch etwas feucht ist. Dann läuft´s wie geschmiert. Deswegen mähen viele Leute schon um halb fünf Uhr morgens. Machen Sie das mal mit Ihrem Motormäher“, so die Kursleiterin. „Nun ja, beim naturnahen Mähen kriegt`s der Nachbar erst gar nicht mit.“
Pro Schlag sollten sich die Kursteilnehmer einen Streifen von maximal zehn Zentimetern an Gras vornehmen. Nur so wird der Schnitt sauber und es bleiben keine Grasreste stehen. Mit einem feuchten Wetzstein, den jeder in einem Kumpf an der Seite mit sich trug, musste das Sensenblatt zwischendurch immer wieder nachgeschärft werden. Nach einer guten Stunde schien der Funke restlos übergesprungen zu sein. Die Teilnehmenden unterhielten sich noch lange angeregt mit der Kursleiterin und fragen nach Tipps und Tricks. Susann Ritter glaubt, dass die Sense noch lange ihre Nische finden wird: "Ich kann am entfernten Weiher oder am Wald mähen und brauche weder Benzin noch Strom. In manchen Bereichen sind die simplen alten Handwerkzeuge aus meiner Sicht nicht zu ersetzen."
Falls Interesse besteht, könnte im Herbst 2025 ein weiterer Kurs an einem Samstag angeboten werden. Das Regierungspräsidium Gießen hat auch die Finanzierung eines zweiten Kurses zugesagt, wofür wir uns ganz herzlich bedanken.
Fakt ist: Wenn das untere Schulgelände über die Sommerferien neu angelegt ist, soll der Bereich der schuleigenen Streuobstwiese künftig nur noch mit dieser wieder neu erlernten Technik gepflegt werden.